Mietrecht / Pachtrecht
Das Mietrecht wird wie kaum ein anderes Rechtsgebiet des Zivilrechts durch die Entscheidungen der Gerichte geprägt und fort entwickelt. So hatte die Reform der Zivilprozeßordnung im Jahr 2002, mit welcher auch im Wohnraummietrecht der Instanzenzug bis zum Bundesgerichtshof eröffnet wurde, mehr Auswirkungen auf die tägliche Praxis im Mietrecht, als das ein Jahr zuvor erlassene Mietrechtsreformgesetz mit seinen umfangreichen Änderungen im BGB. Denn seit der Bundesgerichtshof in großer Zahl Urteile zum Wohnraummietrecht verkündet, vergeht kaum eine Woche, in der der BGH nicht eine neue grundlegende Entscheidung im Mietrecht trifft, die in der täglichen Praxis von Vermieter und Mieter zu beachten ist.
Das Mietrecht ist also längst kein „Kirchturmrecht“ mehr, in der es genügt, die örtliche Rechtsprechung und Gepflogenheiten des zuständigen Amtsrichters und dessen Berufungskammer beim Landgericht zu kennen. Vielmehr ist die Kenntnis der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung unumgänglich für die Beratung bei der Prüfung und Gestaltung von Mietverträgen und insbesondere bei der Beratung im Konflikt zwischen Mieter und Vermieter.
Anstelle allgemeiner Ausführungen zum Mietrecht wollen wir Sie deshalb nachstehend über einige Entscheidungen des Bundesgerichtshof informieren, die von weitreichender Bedeutung sind. Alle hier zitierten Entscheidungen finden Sie im veröffentlichten Umfang auf der Internetseite des Bundesgerichtshof
1. Kündigungsausschluß im Mietvertrag
Die Vereinbarung eines zeitlich begrenzten, wechselseitigen Ausschluß des Kündigungsrecht ist grundsätzlich zulässig. Ein Kündigungsausschluß kann auch in Formularmietverträgen wirksam vereinbart werden. Der Kündigungsausschluß ist nur für einen Zeitraum von maximal 4 Jahren zulässig. Gerechnet wird ab dem Zeitpunkt des Vertragsschluß und nicht erst ab Beginn des Mietverhältnis. Überschreitet der vereinbarte Kündigungsausschluß die Dauer von 4 Jahren, so ist die Vereinbarung insgesamt hinfällig. Eine Reduzierung auf die zulässige Dauer eines Kündigungsausschluß findet nicht statt. Das Mietverhältnis kann dann jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.
BGH, VIII ZR 163/10, Urteil vom 02.03.2011; BGH VIII ZR 86/10, Urteil vom 08.12.2010; BGH, VIII ZR 27/04, Urteil vom 06.04.2005;
2. Nebenkosten / Betriebskosten
In aller Regel hat der Mieter neben der Grundmiete (Kaltmiete) die Nebenkosten für die Wohnung zu tragen. Dies ist aber nicht gesetzlich vorgesehen, sondern muß im Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieter vereinbart werden. Werden die vom Mieter neben der Miete zu zahlenden Betriebs- und Heizkosten im Mietvertrag einzeln aufgeführt, dürfte die Vereinbarung eindeutig sein. Es genügt aber, wenn im Mietvertrag auf § 2 BetrKV (in älteren Mietverträgen auf Anlage 3 zu § 27 der II. BV) verwiesen wird. Fehlt diese Verweisung und ist statt dessen im Mietvertrag nur von „die“ Nebenkosten oder „sämtliche“ Betriebskosten die Rede, ist die Vereinbarung nicht eindeutig. Dies geht zu Lasten des Vermieters. Je nach Vertragsgestaltung sind die Zahlungen des Mieters auf die Betriebskosten dann als Pauschale anzusehen. Dies gilt aber nur für die Betriebskosten nach § 2 BetrKV. Eine Vereinbarung über die Heizkosten ist mit einer gesetzliche Ausnahme für Häuser mit zwei Wohneinheiten, in denen eine Wohnung der Vermieter selbst bewohnt wird, nicht zulässig. Die Heizkostenverordnung gehört nicht zum dispositiven Recht. Über die Heizkosten ist immer verbrauchsabhängig abzurechnen.
3. Nebenkostenabrechnung
Nach § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB hat der Vermieter innerhalb eines Jahres über die Betriebskosten abzurechnen und dem Mieter die Abrechnung mitzuteilen. Das heißt, dem Mieter muß die Abrechnung innerhalb von zwölf Monaten seit Beendigung der Abrechnungsperiode zugehen. Hält der Vermieter die Jahresfrist nicht ein, so ist der Vermieter nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB mit der Geltendmachung einer Nachforderungen aus der Betriebskostenabrechnung ausgeschlossen. Diese Ausschlußfrist geht allein zu Lasten des Vermieters. Der Vermieter bleibt zur Abrechnung über die Nebenkosten und die Nebenkostenvorauszahlungen des Mieters verpflichtet. Ein etwaiges Guthaben ist an den Mieter auszuzahlen.
Rechnet der Vermieter nicht innerhalb der Jahresfrist über die Betriebskosten ab, so hat der Mieter bei einem noch bestehenden Mietverhältnis ein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Nebenkostenvorauszahlungen, BGH VIII ZR 191/05, Urteil vom 29.03.2006.
Ist das Mietverhältnis jedoch beendet und die Abrechnungsfrist verstrichen, so hat der Mieter einen Anspruch auf vollständige Rückzahlung der geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen, BGH VIII ZR 57/04, Urteil vom 09.03.2005.
Der Vermieter kann sich der Rückzahlungspflicht nur entziehen, wenn er noch während des laufenden Gerichtsverfahrens die fehlenden Nebenkostenabrechnungen nachholt und die vertragsgemäße Verwendung der Nebenkostenvorauszahlungen des Mieters nachweist. In diesem Fall dürfte ein Vermieter bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache jedoch die Verfahrenskosten zu tragen haben, hat der Vermieter doch wegen der verspäteten Abrechnung über die Nebenkosten Anlaß zur Klage gegeben.
Wird ein Vermieter zur Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen rechtskräftig verurteilt, so ist der Vermieter nicht daran gehindert, über die Betriebskosten nachträglich abzurechnen und eine etwaige Forderung aus der Nebenkostenabrechnung geltend zu machen, BGH VIII ZR 57/04, Urteil vom 09.03.2005.
In der Praxis dürfte dies jedoch an der Ausschlußfrist nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB scheitern.
4. Anpassung der Vorauszahlungen
Auf der Grundlage einer Nebenkostenabrechnung kann ein Vermieter die Betriebskostenvorauszahlungen anpassen. Eine Erhöhung der monatlich zu leistenden Vorauszahlungen ist nur für die Zukunft möglich. BGH, VIII ZR 271/10, Urteil vom 18.05.2011;
Die neu festzusetzenden Betriebskostenvorauszahlungen können sich in der Höhe an den abgerechneten Kosten in der letzten Nebenkostenabrechnung orientieren, sind aber hierdurch nicht „gedeckelt“. Konkret zu erwartende Kostensteigerungen, wie z.B. durch die angekündigte Anhebung von städtischen Gebühren für Müllabfuhr, Straßenreinigung etc., dürfen bei der Bemessung der künftigen Betriebskostenvorauszahlungen mit berücksichtigt werden. Kein Raum ist jedoch für einen abstrakten Sicherheitszuschlag auf die zu erwartenden Kosten, BGH VIII ZR 294/10, Urteil vom 28.09.2011.
5. Fehlerhafte Nebenkostenabrechnung
Ist eine Nebenkostenabrechnung nachvollziehbar erstellt, weist aber inhaltliche Fehler auf, zum Beispiel falsche Angaben zu den Betriebskosten und/oder Verteilerschlüssel, so ist die Nebenkostenabrechnung materiell falsch. Auf solche Fehler muß der Mieter den Vermieter innerhalb von 12 Monaten seit Erhalt der Nebenkostenabrechnung hinweisen, ansonsten ist der Mieter nach § 556 Abs. 3 Satz 4 BGB mit seinen Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung ausgeschlossen. Diese Ausschlußfrist soll auch dann gelten, wenn der Vermieter über die Betriebskosten abrechnet hat, obwohl im Mietvertrag eine Betriebskostenpauschale vereinbart wurde. BGH, VIII ZR 240/10, Urteil vom 18.05.2011.
Heizkostenabrechnung
Die jährliche Heizkostenabrechnung muß auf der Grundlage des im Abrechnungszeitraum tatsächlichen angefallenen Verbrauchs erfolgen. Die Abrechnung der Heizkosten auf Basis der vom Vermieter an den Energieversorger geleisteten Abschlagszahlungen (sogenanntes Abflussprinzip) ist nicht zulässig. Es müssen die im Verbrauchszeitraum tatsächlich angefallenen Kosten ermittelt und umgelegt werden (sogenannten Leistungsprinzip). BGH, VIII ZR 156/11, Urteil vom 01.02.2012.
6. Mieterhöhung
Nach § 558 BGB kann ein Vermieter die Erhöhung der Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die erhöhte Miete gezahlt werden soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Die Mieterhöhung muß begründet werden. Zur Begründung der Mieterhöhung kann der Vermieter auf einen Mietspiegel, auf die Auskunft einer Miet-Datenbank, auf das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen oder auf drei vergleichbare Wohnungen verwiesen. Beruft sich der Vermieter auf einen veralteten Mietspiegel, so liegt kein formeller Mangel des Mieterhöhungsverlangen vor. Die Mieterhöhung ist begründet, wenn auch mit falschen, weil veralteten Angaben. Es bleibt nur zu prüfen, ob die neue Miete in der geforderten Höhe zurecht verlangt wird. BGH, VIII ZR 337/10, Urteil vom 06.07.2011
7. Mietkaution
Nach § 566 a BGB haftet der Vermieter für die Rückzahlung einer vom Mieter geleisteten Mietkaution. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter die Wohnung während der Mietzeit erworben und in das Mietverhältnis eingetreten ist, ohne daß der Vermieter vom Voreigentümer die Mietsicherheit nachweisbar übernommen hat. BGH, VIII ZR 304/10, Urteil vom 01.06.2011
Für den Käufer einer vermieteten Immobilie empfiehlt sich deshalb, schon vor Abschluß des Kaufvertrages mit dem Verkäufer den Bestand an Mietkautionen zu klären und sich diese mit Erwerb der Immobilie übertragen zu lassen.
8. fristlose Kündigung bei verspäteter Mietzahlung
Zahlt der Mieter den monatlichen Mietzins häufig verspätet und ändert der Mieter sein Zahlungsverhalten auch nach einer Abmahnung des Vermieters nicht, so kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen. BGH, VIII ZR 91/10, Urteil vom 01.06.2011
9. Winterdienst
Wird in einem Formularmietvertrag über eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Winterdienst, also die Pflicht zum Schnee räumen, allein den Mietern im Erdgeschoß auferlegt, so stellt diese Regelung im Mietvertrag für die Mieter einer Erdgeschoßwohnung eine überraschende Klausel dar, durch die die Mieter der Erdgeschoßwohnungen in unzulässiger Weise benachteiligt werden (so AG Köln, 221 C 170/11, Urteil vom 14.09.2011).
Im entschiedenen Fall waren in einem Haus mit 24 Mietparteien lediglich die drei Mieter im Erdgeschoß durch einen formularmäßig erstellten Mietvertrag zum Schnee räumen verpflichtet worden. Das Gericht sah hierin eine nicht mehr zulässige Ungleichbehandlung der Mietparteien durch den Vermieter. Denn die Schneeräumpflicht ist für die betroffenen Mieter eine erhebliche Belastung und dazu mit einem Haftungsrisiko verbunden. Der Winterdienst kann zumindest in einem größeren Miethaus nicht allein auf die Mieter im Erdgeschoß abgewälzt werden.
10. Schönheitsreparaturen
Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen vom 18.03.2015 (BGH VIII ZR 185/14 und BGH VIII ZR 242/13) die Rechtslage zu Schönheitsreparaturen grundlegend geändert:
Quotenregelungen in Mietverträgen, wonach sich der Mieter bei Auszug je nach Nutzungsdauer seit der letzten Renovierung mit einem bestimmten Prozentsatz an den Renovierungskosten beteiligen soll, sind immer unwirksam. Sogenannte Quotenklauseln finden sich häufig in Formularmietverträgen. Deshalb dürften von der jüngsten Entscheidung eine Vielzahl von Mietern und Vermietern betroffen sein.
Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung können im Mietvertrag nicht zur Ausführung von regelmäßigen Schönheitsreparaturen verpflichtet werden. Hat ein Mieter die Wohnung unrenoviert übernommen, muß er keine Schönheitsreparaturen ausführen. Die Klausel im Mietvertrag ist unwirksam.
In vielen Formularmietverträgen findet sich die Regelung, daß der Mieter während der Mietzeit Wände und Decken „zu weißen“ habe oder Wände und Decke ausschließlich „in Weiß“ zu streichen sind. Durch die „Weißen-Klausel“ wird der Mieter bei Renovierungen in der Farbauswahl unangemessen eingeschränkt. Dies führt zur Unwirksamkeit nicht nur der Weißen-Klausel, sondern zur Unwirksamkeit der Regelung über die Schönheitsreparaturen und die Renovierungspflicht des Mieters insgesamt (BGH, VIII ZR 47/11, Urteil vom 21.09.2011).